Die Vogelkirsche (Prunus avium) Baum des Jahres 2010
Sie gehört sicher nicht zu unseren gößten und ältesten Bäumen, für mich jedoch zu den schönsten und wertvollsten. Die Vogelkirsche ist raschwüchsig und erreicht eine maximale Höhe von 15-20 m, wobei sie ein Alter von 80 Jahren meist nicht überschreitet.
Als ein typischer Baum der Laubmisch- und Auwälder ist sie von Natur aus mit Ahorn und Eschen vergesellschaftet und ist im Gebirge bis etwa 1500 m zu finden. Sie ist die Stammform unserer Süßkirsche, ihre Früchte sind jedoch kleiner und schmecken nicht ganz so süß, dafür aber sehr aromatisch.
Ein über und über blühender Kirschbaum im Frühjahr ist für nicht nur ein wundervoller Anblick. Tausende weißer Blüten locken unzählige Insekten, wie Bienen und Hummeln mit ihrem Pollen und Nektar an.
Für Sie ist die Vogelkirsche so früh im Jahr ein unverzichtbarer, gedeckter Tisch.
Bis zum Juni reifen die Kirschen heran und bieten dann für Star, Amsel, Ringeltaube, Kernbeisser und viele andere Vogelarten Nahrung. Dieses hat Linne wohl veranlasst ihr den Artnamen avium (avis = Vogel) zu geben.
Auch Mäuse, Siebenschläfer und Igel fressen die Kirschen für ihr Leben gern. Daneben finden sich auch Insekten wie z. B. Wespen gerne auf den süßen Früchten ein.
Im Herbst zählt die Vogelkirsche dann zu den heimischen Bäumen, die den Herbst golden machen. Gelb bis orangerot leutete dann das Laub gegen den stahlblauen Himmel. Ein Augenschmaus !
Nicht nur im Winter kann man die Kirschbäume anhand der Rinde gut von anderen Gehölzen unterscheiden. Die Lentizellen, korkartige Gebilde auf der ansonsten glänzenden Rinde sind ein deutliches Bestimmungsmerkmal der Kirsche. Ebenfalls charakteristisch ist die Bildung von Knospenhaufen an den Kurztrieben, dem Fruchtholz. Dort sind im Frühjahr auch die Blüten zu finden.
Vorkommen und Nutzung durch den Menschen werden in Europa bis in die Steinzeit durch Funde in der Schweiz und am Niederrhein belegt. Allerdings vermutet man die Wurzeln der Weiterzucht zur Kultur- Süßkirsche an der Schwarzmeerküste in der Stadt Kerasos. Bereits der Römer Lucullus erwähnt sie schon 74 v. Chr. Von Rom aus ist die Süße Kulturkirsche dann nach Mitteleuropa gelangt und dort teilweise wieder verwildert. Noch Heute ist bei ihnen der Anteil des Erbgutes der Kulturkirsche anhand der Größe der Früchte zu erkennen.
Der altrömische Name Cerasos wurde von den Germanen übernomen. Davon leiten sich auch die Namen Cherry (englisch) und Cerise (französich) ab.
Vom altdeutschen Kirsa entwickelte sich der Name im deutschsprachigen Raum über Kersche in Kirsche, was etwa ab Mitte de 15. Jhdt. gebräuchlich ist.
Neben den Früchten ist auch das an Verletzungsstellen austretende harzartige Kirschgummi vom Menschen genutzt worden und fand vor allem in Wein aufgelöst als Lungenheilmittel Verwendung.
Die Kirschkerne dienten nicht nur in Kissen zum Anwärmen der Betten, aufgrund ihres hohen Ölgehaltes von 35 Prozent wurden sie in Notzeiten auch ausgepresst. Mit dem getrockneten Laub wurde oft auch der Tabak gestreckt.
Das Holz, welches heute wieder in Mode kommt, war schon zur Biedermeierzeit für den Möbelbau sehr begehrt und noch heute werden die Zweige am vierten Dezember, am Barbaratag, geschnitten, um zu Weihnachten mit ihrem strahlenden Weiß Licht in die dunkle Jahreszeit zu bringen.
Text und Fotos: Guido Bennen
Referenzen: Laudert, Doris, Mythos Baum , BLV 1999
Schulz, Bernd, Gehölzbestimmung im Winter, Ulmer 1999