Sechs Schleiereulen ausgewildert
Marcel Stawinoga, Zoolotse des Dortmunder Zoos, hat gemeinsam mit Mitarbeitern des NABU-Stadtverbandes Dortmund und einem Landschaftswächter des Sauerländischen Gebirgsvereins Lünen-Selm sechs Schleiereulen in der Bauerschaft Netteberge in Selm ausgewildert.
Vier der Tiere sind Nachzuchten aus dem Zoo und die beiden anderen Eulen wurden verwaist aufgefunden. Der Zoo hatte eine weibliche und drei männliche Schleiereulen, die 2019 im Zoo geschlüpft waren, Ende Oktober in die Obhut der Vogelpflegestation des NABU-Stadtverbandes Dortmund gegeben. Sie wurden zu zwei männlichen jungen Schleiereulen gesellt, die im September verwaist auf einem Bauernhof in Sölde aufgefunden wurden. In der Vogelpflegestation wurden die sechs Jungeulen daran gewöhnt, lebendige Tiere zu fangen und zu fressen. Denn im Zoo werden sie nicht mit Lebendfutter gefüttert. Nach knapp zwei Monaten waren die Eulen bereit, ausgewildert zu werden.
Das Weibchen aus dem Zoo wurde zusammen mit den beiden männlichen Schleiereulen vom Bauernhof in Sölde auf dem Dachboden des Wanderheims des Sauerländischen Gebirgsvereins Lünen-Selm in Netteberge in einen eigens für Schleiereulen angefertigten Nistkasten gesetzt. In diesen können sie durch ein Loch in der Hauswand, ein sogenanntes Eulenloch, nach Belieben ein- und ausfliegen.
Die drei anderen Schleiereulen aus dem Zoo kamen in einem Schleiereulenkasten auf dem Dachboden einer alter Scheune auf einem Bauernhof, ebenfalls in Netteberge, unter. Auch hier haben die Eulen die Möglichkeit, den Kasten durch ein Eulenloch nach Belieben zu betreten und zu verlassen.
Obwohl sowohl Wanderheim als auch der Bauernhof einen geeigneten Lebensraum für die Schleiereulen darstellen, da sie in den Gebäuden und auf den umliegenden Feldern ausreichend Beute finden können, ist nicht sicher, ob die Jungeulen in der Gegend bleiben und überleben. Viele Schleiereulen sterben im ersten Lebensjahr. Häufigste Todesursache ist der Straßen- und Bahnverkehr, gefolgt von Hungertod im Winter. Die überlebenden Schleiereulen siedeln sich meist in einer Entfernung von unter 50 Kilometern an. Vereinzelte Tiere wurden aber auch schon über 350 Kilometer entfernt vom Ort der Auswilderung beobachtet. Sollte eine der ausgewilderten Eulen irgendwo aufgefunden werden, lässt sich mithilfe des Fußrings dokumentieren, wie weit die Schleiereule sich vom Ort der Auswilderung entfernt hat.
Warum der Zoo Schleiereulen auswildert
Die Schleiereule ist seit Mitte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa zunehmend seltener geworden. Zuvor hatte sich diese Eulen-Art an das Zusammenleben mit Menschen gewöhnt, dass sie ihren Lebensraum komplett in menschliche Siedlungen verlagerte, wo sie auf Kirchtürmen, in Scheunen und auf Dachböden ausreichend Ruhe- und Brutplätze fand. Nachts machte sie in Gebäuden und auf Feldern Jagd auf Mäuse und kehrte zum Schlafen durch die Eulenlöcher zurück in Scheunen und Stallungen.
Doch durch moderne Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen verlor die Schleiereule als Schädlingsbekämpferin an Bedeutung. Daher wurden Eulenlöcher nicht mehr in Gebäude eingearbeitet und Kirchtürme vergittert, vor allem um verwilderte Haustauben auszusperren. Dies nahm den Schleiereulen geeignete Ruhe- und Brutplätze, was als Hauptgrund des Rückgangs dieser Eule bestimmt werden konnte. Damit die Schleiereulen auch ausreichend geeignete Ruhe- und Brutplätze finden, betreut der Sauerländische Gebirgsvereins Lünen-Selm zahlreichen Nistkästen für Schleiereulen sowie andere Eulen in der Gegend.
Im Zoo findet man übrigens zwei Schleiereulen-Paare in einer begehbaren Voliere hinter dem Regenwaldhaus „Rumah hutan“. In dieser Voliere leben auch Steinkäuze. Seit 2007 stellt der Zoo den Nachwuchs dieser Eulen dem NABU NRW zur Auswilderung zur Verfügung. Bisher wurden 19 Schleiereulen und 16 Steinkäuze aus dem Zoo ausgewildert und 14 Schleiereulen auf dem Zoogelände in die Wildnis entlassen.
Foto und Text: Marcel Stawinoga/Der Zoolotse