Offener Brief "Umgang mit auffälligen Wölfen muss Aufgabe von Experten bleiben"
Offener Brief
Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg
Herrn Jörg Vogelsänger
Henning-von-Tresckow-Str. 2 - 13 Haus S
14467 Potsdam
Sehr geehrter Herr Minister Vogelsänger,
30.06.2017
die Verbände Gesellschaft zum Schutz der Wölfe (GzSdW), der International Fund for Animal Welfare (IFAW), der Naturschutzbund Deutschland (NABU) sowie der World Wide Fund For Nature (WWF) möchten gemeinsam ihre Bedenken zu dem von ihrem Hause vorgelegten Entwurf der Brandenburgischen Wolfsverordnung – BbgWolfV äußern:
Diese setzt sich zum Ziel, den Umgang mit auffälligen Wölfen für Brandenburg zu vereinheitlichen und zu regeln, wie auch entsprechende Verfahren zu beschleunigen. Konkrete Handlungsschritte sollen beschrieben, und Zuständigkeiten für Brandenburg benannt werden. Die Verbände begrüßen grundsätzlich das Bestreben Ihres Ministeriums dem Umgang mit dem Wolf eine besondere Priorität zukommen zu lassen. Die frühe Einbindung zahlreicher Interessenverbände in den Prozess ist begrüßenswert.
Der vorgelegte Entwurf der Verordnung ist nach Ansicht der Verbände an mehreren Stellen jedoch nicht mit geltendem Recht vereinbar. Darüber hinaus sind einige Aspekte aus fachlicher Sicht fragwürdig und wenig praxistauglich. Obwohl die Verordnung das Ziel verfolgt, Konflikte zwischen Mensch und Wolf zu reduzieren, ist es anzuzweifeln, ob sie in ihrer derzeitigen Form hierzu beitragen wird und nicht, wie von den Verbänden prognostiziert, bestehende Konflikte verschärft werden. Insbesondere dadurch, dass die Inhalte der geplanten Verordnung des Landes Brandenburg nur schwer mit der europarechtlichen Verpflichtung Deutschlands in Bezug auf den Schutz des Wolfes vereinbar ist. Ein rechtswidriges Aufweichen des EU- Artenschutzrechts könnte schwerwiegende Folgen haben und unter Umständen ein EU- Vertragsverletzungsverfahren nach sich ziehen.
Der Umgang mit auffälligen Wölfen, wie er in der vorliegenden Wolfsverordnung geregelt werden soll, kann nur eine Komponente des Wolfsmanagements sein. Elementarer ist es aus Sicht der Verbände, dass die
Bemühungen hinsichtlich potentieller Konflikte insbesondere zwischen Wolf und Weidetierhaltern frühzeitig entschärft werden. Aus diesem Grund darf die vorliegende Verordnung keinesfalls als Ersatz für den Einsatz flächendeckender Herdenschutzmaßnahmen verstanden werden. Jedwede Möglichkeit der Vergrämung bzw. Entnahme eines Wolfes entbindet nicht von fachgerecht angewendetem Herdenschutz. Der Herdenschutz hat sich in der Praxis als adäquates Mittel bewährt und verhindert, dass Wölfe sich auf Weidetiere spezialisieren oder unerwünschtes Verhalten entwickeln. Die Verordnung darf keinesfalls die notwendigen Bestrebungen ersetzten, Herdenschutzmaßnahmen flächendeckend, praktikabel und finanzierbar umzusetzen. Hierfür bedarf es der Unterstützung von Landes- und Bundesebene wie auch adäquater Beratung.
Ein im Zusammenhang ebenfalls nicht zu vernachlässigender Ansatz ist die aktuelle und umfassende Aufklärung und Informationen für die Bevölkerung, um zum Beispiel Futterkonditionierung und einen falschen Umgang mit Wildtieren zu verhindern. Zur Vermeidung von Übergriffen auf Nutztiere hat sich fachgerechte Prävention bewährt, auch wenn sie niemals einen hundertprozentigen Schutz garantieren kann. In Gebieten Deutschlands mit langjährigen Wolfsvorkommen sind die Risszahlen rückläufig, da immer mehr Weidetierhalter fachgerechten Herdenschutz anwenden. Dies gilt es, weiter voran zu treiben, mit vereinten Kräften und Unterstützung der Länder.
Scharf kritisieren die Verbände den Versuch, die große Verantwortung für den Umgang mit auffälligen Wölfen auf Weidetierhalter abzuwälzen – sowohl in praktischer, rechtlicher als auch in finanzieller Hinsicht. Die Feststellung von problematischem oder gefährlichem Verhalten muss durch erfahrene Fachleute in Einzelfallprüfung erfolgen, und kann nicht auf Tierhalter oder Jagdausübungsberechtigte geschoben werden. Nach Sicht der Verbände sollte der dafür eingerichteten Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW) hierbei eine zentrale Rolle eingeräumt werden. Es bedarf objektiver, wissenschaftlich basierter Kriterien für die Definition eines auffälligen Verhaltens. In dem Entwurf werden Unsicherheiten eher geschürt, da Begriffe wie „Vergrämung“ oder „unprovoziert aggressives Verhalten“ nicht eindeutig definiert werden und unklar ist, wie einzelne Wölfe mit auffälligem Verhalten individuell identifiziert werden sollen. Die im Entwurf aufgeführten Kriterien sind insofern unbrauchbar.
Solange nicht akute Gefahr im Verzug besteht, müssen zunächst die Ursachen für ein auffälliges Verhalten geklärt – und beseitigt, bzw. der Mindestschutz von Weiden fachgerecht erweitert werden. Sollte dies keinen nachweisbaren Erfolg zeigen, muss eine fachgerechte Vergrämung und, nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Maßnahmen gegebenenfalls auch eine Entnahme, allein von dafür zuständigen Experten durchgeführt werden. Dies bedarf entsprechender Ausnahmegenehmigungen nach § 45 BNatSchG, die vorab vom zuständigen Ministerium zu erteilen sind. Im Idealfall steht dauerhaft ein professionelles, voll ausgerüstetes Einsatzteam bereit, welches eine effiziente und professionelle Vergrämung auch länderübergreifend durchführen kann und zum Abschuss berechtigt ist. Ansonsten besteht beispielsweise die Gefahr durch unsachgemäße Vergrämung oder Entnahme des „falschen“ Individuums unerwünschte Ergebnisse zu erzeugen. Nicht zuletzt besteht neben der finanziellen Belastung in solchen Fällen für ungeschulte Personen ein erhebliches, unkalkulierbares Risiko, sollten sie versuchen eine Vergrämung durchzuführen.
Ein effizientes Wolfsmanagement muss einerseits auf regionale Besonderheiten Rücksicht nehmen, andererseits der Tatsache Tribut zollen, dass Wölfe sich über Grenzen hinweg bewegen und daher auch über Verwaltungsgrenzen hinweg agieren. Im Sinne der allseits geforderten Harmonisierung des
Wolfsmanagements zwischen den Ländern sollten Regeln zum Umgang mit auffälligen Wölfen nicht von einzelnen Ländern, sondern unbedingt einheitlich und in länderübergreifender Zusammenarbeit und mit der DBBW erfolgen. Die DBBW wurde 2016 auf ausdrücklichen Wunsch der Länder geschaffen, um sie beim Umgang mit auffälligen Wölfen beratend zu unterstützen. Enttäuschend ist daher, dass in der Verordnung keinerlei Bezug auf eine Einbindung der DBBW genommen wird.
Die Verbände fordern Sie auf, die Verordnung unter Einbeziehung der genannten fachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte überarbeiten zu lassen. Die Verordnung in ihrer jetzigen Version ist weder für Weidetierhalter noch für Naturschützer akzeptabel. Ziel der brandenburgischen Wolfsverordnung muss es sein, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen im Ernstfall unbürokratisch und zeitnah Einzelfallentscheidungen unter klar abgesteckten Kriterien getroffen und fachgerecht umgesetzt werden können. Dies erfordert die Einbindung entsprechender Fachgremien wie auch der Betroffenen. Wir fordern Sie zudem auf, die Verordnung mit benachbarten Ländern abzustimmen, um die bestmögliche Wirkung über Ländergrenzen hinweg zu erzielen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Blanché
1. Vorsitzender
Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V.
Leif Miller
Bundesgeschäftsführer Naturschutzbund Deutschland e.V.
Andreas Dinkelmeyer
Campaigner IFAW
International Fund for Animal Welfare
Dr. Diana Pretzell
Leiterin Naturschutz Deutschland WWF Deutschland