Exkursion Landesgartenschau Kamp-Lintfort am Samstag, 05.09.2020

Klaus-Dieter und ich haben auf Einladung der BUND-Kreisgruppe Dortmund an dieser Exkursion teilgenommen. Die Landesgartenschau 2020 in Kamp-Lintfort verbindet über einen Wandelweg die beiden Schwerpunkte der Gartenschau. Zum einen die ehemalige Zeche Friedrich-Heinrich und zum anderen das ehemalige Kloster Kamp. Unsere zehnköpfige Gruppe traf sich um 10 Uhr zur zweistündigen Fachführung mit der Landschaftsarchitektin Kirsten Holsteg (Begleitung der  Bauleitplanung und verantwortlich für die Dauergrünanlagen).

Für diese Landesgartenschau (LaGa) war keine Naturschutzprüfung notwendig, da es sich um ein ehemaliges Zechengelände handelt und somit kein Eingriff in die Natur stattgefunden hat (Foto 2). Der Boden war bereits versiegelt und zudem aus den beiden Kriegen noch kontaminiert. Nach Aufgabe der Zeche und Rückbau/Sanierung soll hier ein neues Wohnquartier entstehen. Ein Teil der LaGa um den Förderturm wird als Dauergrünanlage und Mittelpunkt des Wohnquartiers bestehen bleiben. Eine Tiefenentkernung hat im bodenbelasteten Teil unter der Halde nicht stattgefunden. Vielmehr wurden nur die kleineren belastete Flächen aus dem Bereich entkernt und alles dann als Haldenhügel auf dem großen kontaminierten Bereich aufgeschüttet. Anschließend mit Folien bedeckt damit kein weiteres Regenwasser die Altlasten ins Grundwasser spült. Eine Erdschicht zur Bepflanzung wurde neu aufgetragen und Blühwiesen aus Regio-Saatgut darauf angelegt  (Foto 3). 
An der ehemaligen Quelle der Goorley, das ist der Fluss, der im Halbbogen diese  Fläche umfließt und in den letzten Jahrzehnten als Abwasserkanal diente, ist eine Grundwasserreinigungsanlage errichtet worden. Das gereinigte Wasser fließt nun als „Quellwasser“-Ersatz in den renaturierten Lauf der Goorley. Der Flusslauf dient mit seinen angelegten Auen auch als Regenrückwasserhaltebecken (Foto 4).

Auf meine Bitte hin haben wir diese Blühwiesen besichtigt und genauer erläutert bekommen.

Frau Holsteg unterscheidet Blühwiesen in die Kategorien:

  1. Effekt-Blumenwiese (Baumarkt-Saatgutmischungen)
  2. Landwirtschaftliche Blühstreifen entlang der Äcker
  3. Traditionelle Flachland-Mähwiesen zur Heugewinnung

Als erstes erklärte sie den Unterschied der Gräser. Für reine Rasenflächen werden querwurzelnde mehrjährige Gräserarten verwendet. Für Blühwiesen werden einjährige horstbildende Gräser verwendet. Gräser sind Dunkelkeimer. Wiesenpflanzen sind Lichtkeimer.

Traditionelle Flachland-Mähwiesen zur Heugewinnung  (Foto 5)

Die europäische Wiesenflora blüht zumeist nur im ersten Halbjahr eines Jahres. Sie schließt im Allgemeinen am Nachmittag die Blüten (Beispiel Wegwarte), das heißt ein schöner Blütenflor ergibt sich eigentlich nur im Frühjahr am Vormittag. Die Insekten haben sich in langer gemeinsamer Ko-Evolution daran angepasst. Eine Abtragung der mindestens zweischurigen Mahd ist zwingend notwendig. Ansonsten fänden die Samen keinen lichten Bodenplatz zum Keimen. Diese Flachland-Mähwiesen bilden gutes Dauergrünland, das entsprechende Lebensräume für Flora und Fauna bieten kann. Früher erster Schnitt führt bei geeignetem Wetter zu einem zweiten, kleineren Blütenflor.

Solche Flachland-Mähwiesen wurden hier aus Regio-Saatgut angesät. In diese Fall die sogenannten am Niederrhein üblichen Glatthafer-Wiesen mit zugefügtem 25 Arten Saatgut aus Hornklee, Lichtnelken, Wiesenflockenblumen, Schafgarben, Wilder Möhre, Margeriten, Wegwarten etc. Die Mischung bestand aus 50% Gräsern wie der hier typische Glatthafer und 50% Blühpflanzen.

Der Niederrhein ist Bauernschaft-Gebiet und dieser Mähwiesen-Typ war hier üblich.

Hier auf der Landesgartenschau hatten die Wiesen beste Standortvoraussetzungen, da auf den Halden entsprechend stickstoffarme, kalkreiche Erde mit gutem pH-Wert aufgetragen wurde. Ausgesät wurde mit 4-6 Gramm pro Quadratmeter zur Schaffung eines Dauergrünlands.

Sie wies ausdrücklich darauf, dass Klatschmohn und Kornblumen einjährige Ackerbegleitpflanzen sind, die auf die notwendige Bodenbearbeitung zum Keimen angewiesen sind und deshalb nicht in  Blühwiesen gehören, da sie dort maximal das erste Jahr überleben könnten.

Landwirtschaftliche Blühstreifen entlang der Äcker (Foto 6)

Landwirtschaftliche Ackerrandstreifen bestehen aus einer anderen Blütenmischung. Sie beinhalten verstärkt Leguminosen, um eine Stickstoffanreicherung im Boden zu erreichen. Zielsetzung der Bauern ist eine Verbesserung des Bodens für die nachfolgende Ackerkultur.

Die Flächen werden zumeist 2-3 Jahre, maximal 5 Jahre als Blühstreifen-Nutzung bearbeitet. Hierfür gibt es entsprechende Fördergelder.  Nach 5 Jahren verliert der Standort ansonsten seinen Ackerstatus. Nach 10 Jahren wäre es Dauergrünland und dürfte nicht mehr umgebrochen werden. Für den Bauern haben diese Randstreifen auch den Vorteil, dass sie für den Acker Schutz vor Wild bieten. Auch Frau Holsteg sieht, genau wie Klaus-Dieter und ich, in diesen Ackerrandstreifen ein Problem mit dem vormaligen Dünger- und insbesondere Gifteintrag auf diesen Flächen. Das Gift bleibt im Boden und wird sich in den angesäten Pflanzen anreichern und von den Insekten aufgenommen werden.

Effekt-Blumenwiese (Foto 7)

Diese Mischungen sind die Standardmischungen aus Baumärkten, Supermärkten etc.

Sie sind zusammengestellt, um dem Menschen ein schönes Bild blühender Wiesen zu bieten. Die zumeist einjährigen Pflanzen erfordern eine jährliche neue Aussaat, da es sich zumeist nicht um gebietstypische Pflanzen, sondern um Gartensortenmischungen mit einem optisch schönen Blühpotential über die ganze Saison handelt.

Angeflogen, so stellte Frau Holsteg hier auf der Landesgartenschau fest, werden allerdings alle ungefüllten Blütenarten. Auf den verschiedenen Wiesenstandorten genauso wie in den Staudenpflanzungen. In einer kurzen Diskussion kamen wir jedoch überein, dass es in erster Linie den Fluginsekten, insbesondere den Honigbienen Nektar bietet. Allerdings bieten nicht alle Flächen auch das Potential zu Larvenernährung, Überwinterung und somit Erhaltung aller Insekten und Spinnentiere.

Frau Holsteg berichtete weiterhin, dass die Hauptaufgabe einer Landesgartenschau die Präsentation von Blumen sei. Dies wird von den Besuchern erwartet. Hier in Kamp-Lintfort wird die LaGa auch dazu beitragen, dass der Strukturumbau eines ehemaligen Zechengeländes (Stilllegung 2012) zu einem neuen Wohnquartier schneller vonstattengehen kann. Ein weiterer positiver Effekt sei, dass Natur und Landschaft wieder aufgebaut würden. 20ha des LaGa-Zechenparkgeländes bleiben auch nachher als begrünter Quartiersplatz bestehen.

Die LaGa zeigt Ausstellergärten der Grünen Wirtschaft (GaLa-Bau, Baumschulen, Gärtner, etc.) der Umgebung. Ein Planungsbüro hat nach einer entsprechenden Ausschreibung ein künstlerisches Gesamtkonzept geschaffen. Außerdem wurden neben den mindestens 40.000 Zwiebeln und Stauden auch 800 Bäume gepflanzt, die später bleiben. Da diese Bäume innerhalb der Stadt einen schwierigen Standort haben, wurden keine sogenannten heimischen Bäume gewählt. Heimische Waldbäume, Gehölze und Gräser wie Eichen und Buchen sind an ein atlantisches Klima mit Regenfällen an eher feuchten Standorten gewöhnt. Eine Innenstadt auf entwässerten Standorten bietet aber nur kontinentales, trockenes Steppenklima. Es wurden also entsprechend Bäume aus kontinentalem Steppenklima wie Hopfenbuchen, Purpur-Erlen, Blumeneschen gepflanzt. Der gärtnerische Teil der LaGa zeigt Ausstellergärten der GaLa-Bauer (Foto 8-12), der  Friedhofsgärtner (Foto 13), der Baumschulen sowie der NUA und Naturgarten.org. mit einem Stand zu naturnahem und urbanem Gärtnern. Interessanterweise haben die Baumschulen und nicht die GaLa-Bauer einen Bereich aufgebaut, in dem acht Beispiele für sinnvoll bepflanzte Vorgärten gezeigt werden (Foto 14-16). Der „typische“ Kleingarten war ebenfalls zu sehen (Foto 17-18).

Zwischen den Ausstellergärten gab es auch einfache Bereiche mit Wildpflanzen aus der Region (Foto 19-20).

Die NUA hat einen sehr großen Bereich (Foto 21-23). Hier wird in Zusammenhang mit dem naturgarten.org-Verein urbanes und naturnahes Gärtnern gezeigt. Es ist der einzige Bereich der LaGa, in dem es auch ausreichend Infotafeln gab. Auf mehreren Säulen wurden aus diversen Städten unterschiedliche Gemeinschaftsgärten vorgestellt. Unter anderem der Schallacker-Garten in Dortmund.

Insgesamt gilt zu beachten, dass bei Gartenschauen der Blütenflor über das Jahr im Schnitt dreimal gewechselt wird (Zwiebeln und Knollen / Frühling / Spätsommer). Alle Stauden werden außerhalb in entsprechenden Gärtnereien und Gewächshäusern vorgezogen und dann eingesetzt. Außerdem finden eine regelmäßige Bewässerung und eine vermehrte gärtnerische Pflege der Gartenschauen statt. Somit wird über die gesamte Öffnungszeit dieser Schauen ein perfektes Gartenbild geboten.

Nach der Führung waren wir noch zu einem gemeinsamen angemeldeten Mittagessen. Danach hat sich die Exkursionsgruppe getrennt und Klaus-Dieter und ich sind die Zechenparkfläche nochmals abgegangen und dann noch mit dem Shuttlebus zum Kamper Gartenreich auf dem Abteiberg gefahren. Der Bereich um das Kloster Kamp hat sich im Vergleich zu früheren Besuchen kaum verändert (Foto 24-26). In den letzten Jahren sind nur der rekonstruierte Alte Garten, der Weinberg und die Obstbaumwiese mit dem Bienenhaus dazugekommen. Der barocke Terrassengarten wurde ja bereits vor Jahrzehnten restauriert.

Fazit:

Diese Landesgartenschau in Kamp-Lintfort bietet eine interessante Mischung aus „zivilisierter“ und „naturnaher“ Gartengestaltung. Die Führung durch Frau Holsteg hat uns intensiv vermittelt, welche Möglichkeiten zur Altlastensanierung, zur Stadtbaum-Auswahl und zur Schaffung von Blühwiesen (Effektblühwiesen, Ackerrandstreifen, Flachland-Mähwiesen) es geben kann. Probleme, die wir ja auch hier in Dortmund haben. Beim Beobachten der Besucherströme fällt jedoch auf, dass diese von optisch schönen Pflanzen mit großen Blüten in geschmackvoller Farbzusammenstellung angezogen werden. Wasser und höher gelegene Bereiche haben ebenfalls starkes Anziehungspotential. Die naturbelassenen Teile werden nicht zur Kenntnis, vermutlich noch nicht einmal wahrgenommen.

Text und Fotos: Brigitte Bornmann-Lemm