Die Feldlerche: „Vogel des Jahres 2019“ im Sinkflug

Die Feldlerche: „Vogel des Jahres 2019“ im Sinkflug

Es kommt selten vor, dass eine Vogelart zum zweiten Mal als Vogel des Jahres ausgerufen wird. Die Feldlerche war es bereits 1998. Schon damals wurde davor gewarnt, dass die Art in vielen Gebieten Deutschlands selten oder gar aussterben wird. Seitdem ist mehr als jede vierte Feldlerche aus dem Brutbestand verschwunden.

Mit ihrem Gesang von der Morgendämmerung bis zum Abend läutet die Feldlerche alljährlich den Frühling ein. Doch der Himmel über unseren Feldern ist stummer geworden: Die Intensivierung der Landwirtschaft nimmt allen Feldvögeln den Lebensraum. Die Feldlerche soll als Jahresvogel stellvertretend für alle Arten der Feldflur wie Rebhuhn, Kiebitz, Wiesenpieper und Grauammer und anklagend für die katastrophale Landwirtschaftspolitik in Berlin und Brüssel stehen.

Fakten zur Feldlerche

Die Feldlerche ist eine Tarnungskünstlerin: Mit einer Körperlänge von 16 bis 18 cm und der bräunlichen Gefiederfärbung ist sie in ihrem bevorzugten Umfeld, dem Ackerboden, fast nicht zu sehen. Akustisch macht sie sich umso deutlicher bemerkbar: Typisch ist ihr Singflug, bei dem sie hoch in die Luft steigt und ihren trillernden Gesang vorträgt. Shakespeare hat diesen Gesang bei „Romeo und Julia“ literarisch verewigt und – indem die Frage nach Lerche oder Nachtigall falsch beantwortet wurde – aufgezeigt, dass die Kenntnis von Vogelstimmen überlebenswichtig sein kann!

Feldlerchen brauchen die offene Weite. Sie suchen sich ebene Landschaften oder flache und sanft geschwungene Hügel. Von Waldrändern oder Hecken halten sie einen gewissen Mindestabstand. Der optimale Neststandort für die Bodenbrüterin ist nicht zu dicht bewachsen – beste Voraussetzungen für den Nachwuchs, der an den 30 Tagen bis zur Selbständigkeit im geschützten Umfeld Flugversuche und Jagdübungen unternimmt.

Stetiger Bestandsrückgang

Doch diese geschützten Lebensräume sind auf unserem Acker- und Grünland immer seltener zu finden. Intensivkulturen mit Mais und Raps, fehlende Brachflächen, Unmengen an Gülle und Pestiziden haben die Landschaft verändert und Feldvögeln zunehmend den Lebensraum genommen. Mit zwischen 1,3 und 2 Millionen Revieren gehört die Feldlerche zwar noch zu den häufigeren Brutvögeln Deutschlands, allerdings befinden sich ihre Bestände in einem deutlichen Sinkflug. Mehr als ein Drittel der Feldlerchen sind in den vergangenen 25 Jahren verschwunden. Aus vielen Gebieten Deutschlands wurde die Feldlerche bereits völlig verdrängt. In der „Roten Liste der Brutvögel Deutschlands“  wird sie in der Kategorie 3 „gefährdet“ aufgeführt.
 

Quelle: Dachverband Deutscher Avifaunisten (2018), Grafik: constructiv

Katastrophale Situation in Dortmund

Speziell in Dortmund ist der Rückgang noch deutlicher. Gegenüber dem für den Dortmunder Brutvogelatlas zwischen 1999 und 2003 ermittelten Bestand von ca. 173–334 Brutpaaren gibt es aktuell in Dortmund weniger als 40 Paare, ein Rückgang von ca. 70 – 90%. Von diesen Brutvögeln brütet mehr als die Hälfte überhaupt nicht in der Feldflur, sondern auf ehemaligen Mülldeponien und Bergehalden in Ellinghausen, Groppenbruch, Deusen, Lanstrop und Neuasseln. Doch auch diese Ersatzlebensräume sind durch zunehmende Freizeitnutzung, insbesondere freilaufende Hunde, Mountainbiking und Bebauung, z.B. mit Solaranlagen bedroht. Auf Feldern brüteten in Dortmund 2017 tatsächlich wohl nur noch weniger als 20 Paare. Neben einigen Einzelmeldungen gab es kleinere Kolonien nur noch in Bövinghausen auf den Feldern der Kornkammer Holte, die nach den Kriterien des Öko-Landbaus bewirtschaftet werden, und in der Umgebung des Dortmunder Flughafens. Die dortige ausgedehnte Feldflur war um die Jahrtausendwende Dortmunder Verbreitungsschwerpunkt mit allein über 40 Paaren!

Die Ursachen für den Rückgang sind bei uns wie in fast ganz Westeuropa vielfältig. Ein wichtiger Grund ist natürlich der Verlust landwirtschaftlich genutzter Flächen. Während noch in den 1960er und 70er Jahren viele Dortmunder Vororte als „Dörfer“ von einem Gürtel von Feldern, z.T. auch Wiesen und Weiden, umgeben waren, sind heute die meisten durch Gewerbegebiete oder Wohnbebauung miteinander verbunden. Riesige Flächen z.B. durch den Bau der Universität in Barop und Eichlinghofen oder durch die Gewerbegebiete entlang des Hellwegs in Brackel, Asseln und Wickede sind verloren gegangen, auch durch den Ausbau von Verkehrswegen. Diese negative Entwicklung ist bis heute nicht gestoppt, wie aktuelle Bauvorhaben z.B. in Lanstrop und Brechten oder Planungen wie in Menglinghausen, Grevel oder Groppenbruch zeigen.

Auf den verbliebenen Flächen wird Landwirtschaft in einer zuvor nie gekannten Intensität betrieben. Das gilt für den Einsatz von Agrarchemie, wie Dünger und Pestiziden, wie für das Ausbringen von Gülle, die mancherorts auch das Grundwasser bedroht. Durch die damit verbundene Vernichtung von Insekten und Wildpflanzen wird den Feldlerchen ihre Nahrungsgrundlage entzogen. Ein weiterer Aspekt ist der verbreitete Anbau von Wintergetreide, das schon früh im Jahr sehr hoch und dicht ist, noch gefördert durch die Klimaerwärmung. Die Lerchen weichen dann auf die Fahrspuren im Acker aus mit dem Ergebnis, das ihre Nester bei der nächsten Traktorfahrt überrollt oder von Nesträubern entdeckt werden.

Enorm ist die Störung aller Bodenbrüter durch Freizeitnutzung. Während es vor nicht allzu langer Zeit tabu war, bestellte Felder zu betreten, latschen heute häufig Herrchen und Frauchen über landwirtschaftliche Nutzflächen – und wenn sie nicht dabei sind, dann zumindest der nicht angeleinte Hund. Das traditionelle Drachensteigen und Stoppelschlachten sieht man heute nur noch selten – allzu schnell wird nach der Ernte alles untergepflügt. Dafür sind aber vor allem auch während der Brutzeit Modellflugzeuge und stark zunehmend Drohnen unterwegs, die die Vögel von ihren Brutplätzen vertreiben.

Bilanz des Schreckens

In Dortmund sind in den letzten 50 Jahren folgende Vogelarten der Feldflur ausgestorben: Wachtelkönig (1973), Grauammer (1979), Haubenlerche (1990), Wachtel (1994, gelegentlich noch einzelne Rufer), Steinschmätzer (1997), Braunkehlchen (2003), Rebhuhn (2007), Turteltaube (2014).

Vom Aussterben bedroht sind in Dortmund u.a. Fasan, Kiebitz, Schleiereule, Steinkauz, Rauchschwalbe, Mehlschwalbe, Wiesenschafstelze, Wiesenpieper, Bluthänfling, Feldsperling.

Was kann man tun?   

Nur eine Reform der Agrarpolitik kann die Situation der Tier- und Pflanzenarten in der Feldflur nachhaltig verbessern. Die Europaabgeordneten haben einen großen Einfluss auf die Gestaltung des Natur- und Umweltschutzes bei uns. Sagen Sie Ihren Abgeordneten, dass wir eine neue Agrarpolitik brauchen – für Mensch und Natur. Als Wähler bzw. Wählerin haben Sie eine große Macht – und die Europawahlen stehen vor der Tür! Hinzu kommt die Macht der Verbraucher: Entscheiden Sie sich für Lebensmittel, die nach ökologischen Gesichtspunkten produziert werden und Sie tun auch etwas für die Feldlerche.

Fazit

Noch gibt es Feldlerchen in unserer Stadt. Mit geeigneten Schutzmaßnahmen könnte zumindest der Restbestand dieser und anderer Feldvogelarten erhalten und dann auch gezielt vermehrt werden. Dazu ist ab eine Abkehr von der bisherigen Praxis in Planung und Nutzung erforderlich. Mit der Haubenlerche ist schon 1990 die einstmals häufige nächste Verwandte der Feldlerche in Dortmund ausgestorben. Wir hoffen, dass der Feldlerche dieses Schicksal erspart bleibt.