Der NABU Insektengarten im Spätsommer 2021

Der NABU Insektengarten im Spätsommer 2021
24.10.2021, Text und Fotos: Brigitte Bornmann-Lemm

Häufig stellt sich mir die Frage, wie ein guter naturnah gepflegter, insektenfreundlicher Garten aussehen sollte. Muss man dazu einfach nichts mehr tun und alles verwildern lassen? Das wäre ein Widerspruch in sich. Den Gärten sind seit Jahrtausenden ein Teil der Kulturlandschaft. Die vielen GärtnerInnen versuchen auf unterschiedliche Art und Weise diesem Stück Land ihren Willen, bzw. ihre Wünsche aufzudrücken. Dies geht nun einerseits rigoros mit Schneckenkorn, Zollstock, Gartenplan und Erdaustausch für die gewünschten Pflanzen. Hier bereitet dann nur das Endergebnis Freude.

Geht man es langsamer und behutsamer an und nimmt sich die Zeit für händische Bodenprüfungen, für die Beobachtung von Licht und Schattenwurf und für die Auswahl standortgerechter Pflanzen, so kommt man dem naturnah gepflegten Garten schon näher. Achtet man nun auch noch darauf, welche Blütenpflanzen insektenfreundlich sind und sorgt dafür, dass während der gesamten Gartensaison von März bis in den späten Oktober hinein immer etwas blüht und pflanzt man auch für die Raupen der Schmetterlinge noch ein paar ihrer Lieblingspflanzen, lässt hier und da etwas Grünschnitt und Laub unter den Stauden und Sträuchern liegen,  dann steht man plötzlich in seinem eigenen insektenfreundlichen Garten. Kleine manuelle Pflegemaßnahmen wir der Rückschnitt von Verblühten für einen zweiten Blütenflor und das Offenhalten einer sichtbaren Wegestruktur lässt einen üppig wachsenden „wilden“ Garten immer noch gepflegt und nicht verwildert aussehen. Hier sind das regelmäßige Schlendern durch den Garten, das Studieren des Pflanzenwachstums vom Samenkorn bis zur Salat- oder Blütenpflanze, das Beobachten der Wildbienen beim Pollensammeln und Eintragen in die Niströhren, der erste Schmetterling im Jahr, die kleinen Wanzennymphen, denen man wie den Kindern beim Großwerden zuschauen kann, die Libellen bei der ersten Flügelentfaltung nach ihrer Metamorphose, die Krabbenspinne bei der Beutejagd und vieles mehr die täglichen kleinen Freuden der GärtnerInnen. In so einem Garten teilt man auch gerne ein paar Himbeeren mit den Beerenwanzen oder das Fallobst mit den Amseln und Feldmäusen im Winter.

Gartenbericht
Der Sommer und der Frühherbst sind in diesem Jahr geprägt vom stetigen Wechsel sonnig-warmer und regenfeucht-kühler Tage. Das hat einen sehr starken Einfluss auf die Fluginsekten. Hier ein Beispiel von einem Tag im Sommer.
Am Dienstag, den 06.07.21 ließ sich sehr eindrücklich beobachten, wie stark Insekten von ihrer Umgebung und insbesondere auch von den Wetterverhältnissen abhängig sind. Der Tag begann morgens mit geschlossener Wolkendecke und etwa 15° Celsius. Ich bin gegen 08:45 Uhr im Garten eingetroffen. Zwischen 09:00 und 10:00 Uhr hat es erst etwas, dann stärker geregnet (Regenmesser 1mm) bevor es schlagartig wieder aufhörte und dann trocken blieb. Der Himmel hatte eine geschlossene, mittelgraue Wolkenschicht. Es war etwas windig aus Süden. Die Temperatur stieg langsam von 17° auf 19°C. Während der Gartenarbeit habe ich wie gewöhnlich immer wieder nach Insekten geschaut. Einige Streifenwanzen mit einem Eigelege im Liebstöckel, einige Trauer-Rosenkäfer und ein aufgescheuchtes Grünes Heupferd ließen sich finden. Es waren wenige Ackerhummeln, Erdhummeln und ca. 20-25 Honigbienen an den Blüten zu sehen. Insbesondere an der in diesem Jahr sehr stark entwickelten Ackerwitwenblume und am Gefleckten Johanniskraut. An den Nisthilfen war kein Flugbetrieb zu beobachten. Um kurz vor 13 Uhr zog die Wolkendecke auf, die Sonne schien, es bliebe windig. Die Temperatur stieg auf 22°C. Innerhalb von 10 Minuten summte der gesamte Garten überall dort wo Blütenpflanzen in der Sonne stehen. Die Zahl der Honigbienen hatte sich geschätzt verdreifacht. Innerhalb weniger Minuten kamen wie üblich aus der Heckenrichtung ein Zitronenfalter, ein Admiral und drei Kohlweißlinge zum Nektartrinken. Etwa 15 Minuten nach Sonnenscheinbeginn waren gut 50 Insektenarten im Garten leicht zu entdecken. Die nektartrinkenden, bzw. pollenfressenden Imagines (Wildbienen, Schmetterlinge, diverse Fliegenarten, Schwebfliegen, Käfer, Keulenwespen, Schlupfwespen, Raupenfliegen, Grabwespen, Fleischfliegen, Faltenwespen) nahmen gut 15-20 Minuten an den verschiedenen Blütenpflanzen nur Nahrung auf. Der Wechsel von Blüte zu Blüte war gefühlt schneller als normalerweise. Danach wurden sie etwas langsamer und nahmen langsam ihre typischen Verhaltensweisen auf. Also Pollensammeln, jagen oder auch kopulieren. Erst dann waren die  parasitierenden Goldwespen, Erzwespen und Keulenwespen auch wieder an den Nisthilfen der Hautflügler zu finden. Hauptanflugziele der ersten halben Stunde waren die leicht zugänglichen und häufigen Blütenarten unter den derzeit etwa 70 blühenden Pflanzenarten (Stand 05.07.21). Insbesondere Acker-Witwenblume, Färberkamille, Wilde Möhre, Wilde Pastinake, Taubenskabiose, Ackerglockenblume, Nesselblättrige Glockenblume, Johanniskraut, Herzgespann, Schafgarbe, Natternkopf.
Dies ist nur ein einziger Beispieltag. Diese Beobachtung ließ sich den ganzen Sommer über beobachten. Fluginsekten sind nur zu sonnigen, warmen Zeiten unterwegs. Also nur dann, wenn die Pflanzen auch tatsächlich Nektar und Pollen in den Blüten zur Verfügung stellen. Und dieser Sommer hatte sehr viele bedeckte, kühlere Tage.
Erkenntnis: Bei dem in diesem Jahr sehr wechselhaften Wetter mit Regenfällen, bezogenem Himmel und Sonnenschein bei mittleren Tagestemperaturen ist es für Fluginsektenarten, die von Nektar und Pollennahrung abhängig sind, vorteilhaft wenn Ruhe- und/oder Nistplätze sowie die entsprechenden Futterquellen in kurzer Distanz (0 bis 20 m) zueinander liegen, um die Anflugzeit nach einer erzwungenen längeren Ruhephase (Regenzeiten) zu verkürzen. Jede im Flug verbrachte Zeit ist für Wildbienen eine verlorene Zeit für den Bau und die Verproviantierung von Nistplätzen und die Nachwuchsfürsorge der nächsten Generation.

Die Liste der in diesem Jahr im NABU Insektengarten gefundenen Insekten und Spinnentiere umfasst ca. 170 Arten von Wildbienen, Hummeln, Schwebfliegen, Tag- und Nachtfaltern, Wanzen, Zikaden, Raupenfliegen, Raubfliegen, Grabwespen, Lehmwespen, Käfern, Heuschrecken, Libellen, Webspinnen, Weberknechten, Köcherfliegen, Schlupfwespen, Eintagsfliegen. Einige von ihnen konnten bisher noch nicht bestimmt werden. Die Zahl der insektenfreundlichen Blütenpflanzen inkl. der Obstgehölze liegt bei etwa 190 Arten. Eine Auswertung und Analyse der beiden Datenmengen erfolgt noch.

Während der Gartensaison gab es regelmäßig offene Gartentage und Führungen durch den Garten. Diese Veranstaltungen wurden gut besucht. Viele aufkommende Fragen in Bezug auf insektenfreundliches Gärtnern wurden in guten Gesprächen auch untereinander diskutiert und besprochen.

Nun mit dem Beginn der kalten Jahreszeit geht der Insektengarten in die notwendige Winterruhephase. Im April 2022 geht es dann in eine neue und hoffentlich wieder spannende Gartensaison.

Fotoliste

  1. Sommergarten im Juli
  2. Sommergarten im Juli
  3. Admiral Vanessa atalanta
  4. Gartenkreuzspinne Araneus diadematus und Rosengallen
  5. Dickfühler-Weichwanze Heterotoma planicornis auf Malve
  6. Insekten-Zählungen
  7. Hauhechel-Bläuling Polyommatus icarus an Skabiosen-Flockenblume
  8. kopulierende Weißlippen-Grabwespen Lindenius albilabris
  9. Junge Bänderschnecke auf Johannisbeere
  10. Schwarzhörniger Walzenbock Phytoecia nigricornis an Wermut
  11. Schillerwanzen Eysarcoris venustissimus
  12. Rotbeinige Holzschlupfwespe Ephialtes manifestator bei der Eiablage in Wildbienen-Nisthilfen
  13. Hornissen-Schwebfliege Volucella zonaria und Dunkle Erdhummel Bombus terrestris
  14. Grünader-Weißling Pieris napi
  15. Hainschwebfliege Episyrphus balteatus auf Schwarzer Königskerze
  16. Große Heide-Libelle Sympetrum striolatum
  17. Gemeine Wald-Schwebfliege Volucella pelluscens an Dost
  18. Herbstgarten im September
  19. Steingartenpflanzen
  20. Apfelernte im Herbst
  21. Astern im Herbstgarten