Beobachtungen zu Blütenpflanzen und den Besuchen von Fluginsekten an Wild- und Kulturpflanzen in zwei urbanen Ruhrgebietsgärten 2021-2022

Besteht eine Abhängigkeit zwischen dem Blütenbeginn der Gartenpflanzen und dem Erscheinen der überwinternden Fluginsekten, insbesondere der Bienenarten, in einem urbanen Klein- und Hausgarten?

 

Welche Pflanzenfamilien und welche Pflanzenarten werden von den verschiedenen Insekten bevorzugt? Werden auch die Nutz- und Zierpflanzen nicht europäischer Herkunft genutzt? Seit dem Beginn der Recherchen zu dem bisher noch nicht veröffentlichtem Buch „Gärten und ihre Pflanzenvielfalt“ vor einigen Jahren und verstärkt mit den Untersuchungen zu der Abhandlung „Insekten im Garten – Untersuchung März 2020 bis Oktober 2021“ stellt sich für mich die Frage, inwieweit Insekten auch die kultivierten Zier- und Nutzpflanzen, sowie Zierpflanzen des nichteuropäischen Raums im urbanen Garten nutzen. Diese Fragen können sicherlich nicht mit den Beobachtungen von wenigen Gartenjahren in einem Garten beantwortet werden. Die dieser Untersuchung zugrunde liegenden Beobachtungen sollen lediglich den Anfangspool für weitere Untersuchungen zum Thema der kulturbegleitenden Insekten in urbanen Haus- und Kleingärten bilden.
Die Untersuchung erstreckte sich über einen Zeitraum von zwei Jahren und basiert auf den zusammengetragenen Daten von 2021 und 2022 im NABU Dortmund Garten und für 2022 zusätzlich in einem Hausgarten in Dortmund-Aplerbeck. Sie ging der Frage nach, welche Abhängigkeit zwischen dem Blütenbeginn der Pflanzen und dem Ende der Überwinterungsphase von nektar- und pollenabhängigen Fluginsekten im urbanen Garten besteht. Außerdem wurde auch untersucht, ob stark züchterisch bearbeitete Zierpflanzen genauso angeflogen werden, wie weniger züchterisch bearbeitete oder nur als Vermehrung im Garten angebaute Kultur- und Wildformen von Blütenpflanzen und Kräutern. Betrachtet wurden hierfür oligolektische und polylektische Wildbienen-Arten, Imker-Honigbienen, Schwebfliegen und einige Tagfalter-Arten. Relevant für diese ausgewählten Arten war, dass sie bereits über mehrere Jahre regelmäßig im NABU Garten Dortmund zu sehen waren. Für das Jahr 2022 konnte die Untersuchung auf einen zweiten Garten (Privatgarten in Do-Aplerbeck) ausgeweitet werden. Dieser Garten bot den Vorteil, dass dort seit Jahren wesentlich mehr stark züchterisch bearbeitete Zierpflanzen zur Verfügung standen. Diese Option bot der NABU Garten weniger, da hier nur die weniger züchterisch bearbeiteten Kräuter und Zierpflanzen sowie nur zur Vermehrung angebaute Wildformen von Pflanzen bevorzugt wurden.

Die Untersuchung hat gezeigt, dass Flug- und Blütenbeginn in beiden Untersuchungsjahren 2021 und 2022 gut gepasst haben. Bei den Gehörnten Mauerbienen flogen die ersten Männchen zwar schon, als noch wenig Blüten zur Verfügung standen, aber zum etwas späteren Flugzeitraum der Weibchen standen mehr Blüten zur Verfügung. Die Fragestellung, wie es die Weibchen schaffen, pünktlich zum Blütenbeginn der jeweils für die einzelnen Arten maßgeblichen Nektar- und Pollenquellen zu fliegen konnte allerdings abschließend nicht geklärt werden. Es ergaben sich neue Fragestellungen.

Ist es möglich, dass die Schlupfzeit der Wildbienen (als Beispiel) genetisch bedingt ist? Sind diese Information für die einzelnen Klimagebiete unterschiedlich von den Elterntieren weitervererbt worden? Das würde bedeuten, dass alle Populationen bundesweit genetisch jeweils an das lokale Klima der Region angepasst sind. Und da zuerst mehr Männchen als Weibchen erscheinen, ist es eventuell möglich, dass zu „vorwitzige“ Männchen vorab verhungern und sterben und somit nur die zeitlich gut angepassten Männchen überleben und ihren Genpool an die nachfolgenden Generationen weitergeben können, sofern genug Weibchen ebenfalls die Ruhephase überlebt haben und schlüpfen. Außerdem stellt sich ja auch die interessante Frage, ob die Männchen in der Lage sind zu kommunizieren, ob der notwendige Blütenbestand vorhanden ist. An sonnigen Frühlingstagen, wenn auch die ersten Blüten geöffnet sind, fliegen sie laut schwirrend vor den Niströhren. Ansonsten ist ihr Flug nahezu lautlos. Möglicherweise sind die Weibchen aber auch nur auf einen späteren Flugzeitpunkt genetisch geprägt und das Verhalten der Männchen basiert ausschließlich auf dem Pheromon-Duft der Weibchen kurz vor Verlassen der Niströhre. Zu den o.g. Punkten konnte ich bisher noch keine Untersuchungen und Ergebnisse finden.

Für die zweite Fragestellung nach dem Anflug züchterisch bearbeiteter Zier- und Nutzpflanzen konnte ein vages, entsprechend dieser Gärten geltendes Untersuchungsergebnis ermittelt werden.
Insgesamt wurden 37 Insektenarten einbezogen. Darunter waren 9 Diptera (7 Schwebfliegen und 2 parasitäre Arten), 12 solitäre Wildbienen-Arten, 6 Hummelarten, 1 Imker-Honigbienen-Art, 3 parasitäre Hymenoptera-Arten und 6 Tagfalter-Arten.

Von diesen Insekten-Arten wurden insgesamt 119 verschiedene Blütenpflanzenarten angeflogen. Von diesen sind ca. 30 Arten noch den Wildformen zuzuordnen, ca. 35-40 Arten den nur leicht züchterisch bearbeiteten Pflanzen (z.B. Kräuter, sie würden ansonsten ihre Wirkstoffe verlieren) und der Rest, also etwa 50 Arten den mehr oder minder stark züchterisch bearbeiteten Pflanzen, deren Ursprünge zum Teil auch im eurasischen Raum oder Nord-Amerika liegen.

Eine Zählung hinsichtlich der Blütenpflanzen und der sie anfliegenden Fluginsekten erfolgte, wurde aber nicht weiter ausgewertet. Zum einen sind ja nicht alle in den Gärten fliegenden Insektenarten einbezogen worden denn Käfer, Wanzen, Grabwespen, Feldwespen u.a. fehlen. Und zum anderen sind zum Beispiel der Natternkopf oder der Scharfe Hahnenfuß für die jeweiligen oligolektischen Wildbienenarten erhaltensnotwendig, auch wenn sie von anderen Arten kaum genutzt werden. Ebenso sind alle sehr früh blühenden Pflanzenarten für die ersten Tagfalter, Erdhummeln, Mauerbienen u.a. zwingend überlebensnotwendig, da ansonsten zu Beginn der Flugzeit keine Nahrungspflanzen zur Verfügung ständen. Im Spätfrühling bis Hochsommer fliegen die meisten Insektenarten. Somit werden auch die in diesen Jahreszeiten blühenden Pflanzen zwangsläufig von mehr Insektenarten angeflogen als im Vor- oder Erstfrühling.

Dennoch soll hier noch kurz festgestellt werden, dass Taubenskabiose (14 Insekten-Arten = IA), Dost (12 IA), Tüpfel-Johanniskraut (12 IA), Wiesen-Witwenblume (9 IA), Lungenkraut (8 IA), Herbst-Aster (8 IA) und Wiesen-Flockenblume (7 IA) zu den in diesen beiden Gärten am meisten angeflogenen Blütenpflanzen gehörten. Aufgrund der jeweils bekannten gärtnerischen Herkunft für die Pflanzen in diesen beiden Gärten kann hier festgestellt werden, dass es sich um nur sehr gering durch Kultur veränderte oder nur vermehrte (Wiesen-Witwenblume, Tüpfel-Johanniskraut und Tauben-Skabiose) Wildformen handelt. Festzustellen war auch, dass die stark züchterisch bearbeiteten Zierpflanzen wie die Kokardenblume (Ursprung N-Amerika), Bienen-Kugeldistel (SO-Europa), Nachtkerze (N-Amerika), Schuppenkopf (Kaukasus/N-Türkei), Ballonblume (O-Asien), Rhododendron (nördliche Hemisphäre) in erster Linie von den Imker-Honigbienen, einigen Hummel-Arten und einigen Schwebfliegen-Arten angeflogen wurden. Diese Insekten-Arten dürfen sicherlich als Kulturbegleiter der Gärten angesprochen werden. Hinzugezählt werden dürfte hierzu sicherlich auch die Gehörnte Mauerbiene, die mittlerweile durch ihre sehr frühe Flugzeit auf die in Gärten frühblühenden Zierpflanzen angewiesen ist.

Für die solitären Wildbienen hatten die vorab genannten Zierpflanzen offensichtlich keine Relevanz. Es wurden keine Anflüge notiert. Bei diesen ursprünglich nicht aus dem mitteleuropäischen Gebiet stammenden Kulturpflanzenarten musste zwangsläufig eine höhere züchterische Arbeit erfolgen, um sie an die hiesigen Klima- und Bodenverhältnisse anzupassen. Und anzunehmender Weise haben sich die noch nicht zu den Kulturbegleitern gezählten Wildbienenarten noch nicht an diese Sorten angepasst. Einige im Aplerbecker Privatgarten kultivierte Blütenpflanzen wurden auch überhaupt nicht angeflogen. Dazu gehörten zwei gefüllte Heidenelken-Sorten, eine violette Phlox paniculata, eine Prachtkerze Gaura lindheimerii var. und die Glanzmispel Photinia x fraseri var.

Es sollte auch überlegt werden, ob sich in den letzten Jahrhunderten mit den zunehmenden Zierpflanzenarten aus anderen europäischen, asiatischen oder amerikanischen Klimabereichen und den züchterisch veränderten Pflanzenarten auch kulturbegleitende Insektenpopulationen mit anderen genetischen Pools entwickelt haben oder entwickeln könnten, die mit diesen Pflanzenarten (sofern sie noch Pollen und Nektar bieten können) besser zurechtkommen. Das wäre dann ein weiterer Schritt in Richtung Ko-Evolution.

Komplette Untersuchung zum Download

Text & Fotos: Brigitte Bornmann-Lemm, im Dezember 2022